In einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung wurde mit Verweis auf Sicherstellung der „Wahrung einer hinreichenden Staatsferne“ unter anderem abgefragt, ob in den letzten fünf Jahren Zahlungen von Bundesministerien an Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfolgten.
Die Antwort hat es in sich:
Fast 1,5 Millionen Euro zahlten verschiedenste Bundesministerien und das Bundeskanzleramt von 2018 bis 2022 an insgesamt fast 200 Journalisten, die mehrheitlich für ARD und ZDF tätig waren.
Bei der „Mittelvergabe“ an ÖRR-Journalisten sticht insbesondere das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck hervor.
Auffallend:
In der Auflistung der Bundesregierung fehlt das Auswärtige Amt (AA) völlig.
Doch dies ist nach Informationen der NachDenkSeiten so nicht korrekt.
Auch das AA bezahlte Journalisten für zahlreiche Dienstleistungen.
Wieso versucht die Bundesregierung, das in dem Fall zu vertuschen, räumt es aber bei anderen Ministerien offen ein?
„Sind in den letzten fünf Jahren vergütete Aufträge, Honorare oder sonstige Zahlungen (etwa für Moderation, Präsentation, Beratung, Expertisen, Interviews, Rhetorik- oder Sprachtraining usw.) von Bundesministerien oder Bundesbehörden an freie, festangestellte, neben- und hauptberufliche Journalisten von ARD, ZDF, Deutschlandradio oder Deutsche Welle ergangen?
Und wenn ja, welche (bitte nach Datum, Bundesministerium oder Bundesbehörde, Art des Auftrags, Journalist, Sender des Journalisten und Höhe der Zahlung in brutto aufschlüsseln), und wie bewertet die Bundesregierung ihre Auftragspraxis im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene „hinreichende Staatsferne“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?“
So lautet die erste Frage der Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag unter dem Titel „Mögliche Zahlungen von Bundesministerien an Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privatrechtlicher Medien“, die auch bereits öffentlich auf der Website des Bundestages einsehbar ist.
Die zweite Frage ist ähnlich formuliert, fragt aber die Zahlungen der Bundesregierung an Vertreter privatrechtlicher Medien ab und wie diese Auftragspraxis „im Hinblick auf die Bedeutung der „vierten Gewalt“ als Kontrollinstanz staatlichen Handelns“ bewertet wird.
Die Antwort der Bundesregierung fällt denkbar knapp aus:
„Für die Beantwortung der Frage 1 wird auf Anlage 1*, für die Beantwortung der Frage 2 auf Anlage 2* verwiesen. Die dort dokumentierte Auftragspraxis durch Bundesministerien oder Bundesbehörden steht nicht in Konflikt mit der Bedeutung journalistischer Arbeit als Kontrollinstanz staatlichen Handelns oder mit dem Prinzip der Staatsferne des Rundfunks.“
Die erwähnten Anlagen umfassen allerdings 24 Seiten und listen recht detailliert auf, wie viele Journalisten für welche „Dienstleistungen“ von welchen Bundesministerien und Bundesbehörden seit 2018 bezahlt wurden.
Namentlich wird keiner der Journalisten genannt, allerdings kann man einige Journalisten leicht aufgrund von genannter Tätigkeit und Datum identifizieren, so z.B. im Fall des in der Anlage genannten „Journalist 97“.
Dabei handelt es sich um die ehemalige Tagesschau-Sprecherin und jetzige Pro7-Moderatorin Linda Zervakis.
Diese erhielt 2022 beispielsweise 12.000 Euro innerhalb weniger Monate vom Bundeskanzleramt für zwei Moderationen mit Kanzler Olaf Scholz.
Wie kritisch berichtet man danach noch über den Kanzler und seine Affären, wie etwa den Skandal um die Warburg-Bank?
Geht man diese 24 Seiten durch, fragt man sich, was für eine höchst fragwürdige Praxis sich da über die Jahre herausgebildet hat, ohne dass dies bisher groß skandalisiert worden ist.
Hunderttausende Euro an Steuergeldern werden jährlich von Bundesministerien und Behörden an eine rund 200 Personen umfassende Gruppe an Journalisten gezahlt, in den allermeisten Fällen an Journalisten des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Ein eindrucksvolles Beispiel bietet wie bereits eingangs erwähnt das Bundeswirtschaftsministerium:
Honorare in Höhe von über 143.000 Euro flossen ausnahmslos an Journalisten von ARD und ZDF für „Moderationen“:
Fast noch fragwürdiger erscheint die ausschließliche Einbindung von ZDF-Journalisten beim Bundespresseamt (BPA).
Wieso muss etwa das Bundespresseamt, welches direkt dem Bundeskanzler untersteht und über 480 eigene Mitarbeiter verfügt, ZDF-Journalisten bezahlen, die für das BPA, also das Werbeforum des Kanzlers, „Videoinhalte“ produzieren?
Pikant zudem:
In der Aufzählung wird der Zeitraum der Zahlungen an den ZDF-Journalisten von 2018 bis Februar 2021 angegeben.
Zu einer Zeit also, als der Chef des BPA Steffen Seibert hieß und vor seiner Tätigkeit als Regierungssprecher Moderator des ZDF heute-journals war.
Geradezu absurd wiederum mutet an, wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf die Ressortanfrage reagiert hat.
In der Auflistung der Zahlungen des BMZ von 2018 bis 2022 an Journalisten heißt es in den meisten Fällen lapidar:
„nicht nachvollziehbar für wen die Person im genannten Zeitraum tätig war“
Diese Chuzpe muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen.
Das BMZ behauptet allen Ernstes, es hätte Journalisten engagiert für „Entwurf Buchkonzept“, „Fortbildung“, „Konzepterstellung“ und „Moderation“, ohne zu dem Zeitpunkt gewusst zu haben, für welche Medien der jeweilige Journalist tätig gewesen war?
Davon abgesehen, stellt sich natürlich auch grundsätzlich die Frage, wieso ein Ministerium mit einer vierstelligen Mitarbeiterzahl auf Journalisten zurückgreifen muss für ureigene ministerielle Aufgaben wie etwa „Konzepterstellung“.
Das BMZ unterhält zudem sage und schreibe acht sehr gut bezahlte Pressesprecher.
Diese Pressesprecher, das gilt für alle Ministerien, stammen zudem fast ausnahmslos aus dem journalistischen Feld, haben also zuvor für Zeitungen, TV-Sender etc. gearbeitet und sollten folglich problemlos in der Lage sein, entsprechende Moderationstätigkeiten für das Ministerium durchzuführen. Welchen stichhaltigen Grund sollte es geben, für teures Steuergeld diese Tätigkeit an Journalisten „outzusourcen“, egal ob von ARD, SPIEGEL oder PRO7?
Eine weitere relevante Frage in diesem Zusammenhang wirft in einem Beitrag zu der Thematik die Welt-Journalistin Anette Dowideit auf:
„Warum lassen sich Medienschaffende durch Geld von jenen beeinflussen, über die sie doch kritisch berichten sollten?
Denn wer sich von einem Ministerium bezahlen lässt – egal, ob es wie bei Zervakis um mehrere tausend Euro für einen Einsatz geht oder nur um ein paar hundert –, der kann kaum noch von sich behaupten, beim nächsten Mal noch unvoreingenommen auf das jeweilige Haus blicken zu können.“
Die meisten Fragen wirft aber die offensichtliche Leerstelle in der Aufzählung der Bundesregierung auf:
Das Auswärtige Amt (AA) unter Annalena Baerbock. Während Bundeskanzleramt, Bundespresseamt, Bundesverteidigungsministerium, das Justizministerium und fast ausnahmslos alle anderen Ministerien die Hosen runterlassen in Bezug auf ihre Zahlungen an Journalisten für diverse Tätigkeiten, sucht man das AA in der Aufzählung vergeblich.
Dabei war der Verfasser dieser Zeilen alleine im Jahr 2019 selbst für zwei Veranstaltungen des Auswärtigen Amtes akkreditiert und anwesend, bei denen die Moderation von dafür bezahlten Journalisten der Deutschen Welle übernommen worden war. Beispielhaft sei auf die vom AA durchgeführte „Lateinamerika-und-Karibik-Konferenz“ im Mai 2019 verwiesen:
Abschließend noch zu einer weiteren Leerstelle in der Aufzählung der Bundesregierung, die aber im Gegensatz zum AA immerhin begründet wird.
Die Begründung hat es aber dafür umso mehr in sich. Wohlgemerkt, es handelt sich hier um die Frage von Zahlungen des Bundesnachrichtendienstes (BND) an Journalisten für entsprechende Dienstleistungen. Was schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort?
„Für den Bundesnachrichtendienst (BND) ist darauf hinzuweisen, dass die Beantwortung der Fragen aus Staatswohlgründen nicht erfolgen kann, weil Kooperationen des BND besonders schützenswert sind. Die einzelnen Kooperationspartner arbeiten mit dem BND nur unter der Voraussetzung zusammen, dass die konkrete Kooperation mit ihnen – auch nicht mittelbar – preisgegeben, sondern absolut vertraulich behandelt wird.
(…) Zudem würde das Offenlegen von Vertragspartnern in Bezug auf vergütete Aufträge, Honorare oder sonstige Zahlungen (etwa für Moderation, Präsentation, Beratung, Expertisen, Interviews, Rhetorik- oder Sprachtraining usw.) durch den Bundesnachrichtendienst staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren eine belastbare Grundlage und einen erheblichen Mehrwert mit Blick auf deren Bestreben zur Informationsgewinnung bieten. Dies alles würde dem deutschen Staatswohl zuwiderlaufen.“
Quelle: Florian Warweg – Die Nachdenkseiten
Titelbild: Screenshot Kleine Anfrage / Bundesdrucksache 20/5822
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