Europa kommt zur Vernunft. Und wir?
“Omikron“ hat die Lage verändert. Deutschland gehört zum schrumpfenden Lager der Verstockten, aber immer mehr Politiker in Europa und Amerika schielen zum Notausgang oder sind bereits durchgeschlüpft. Ein Blick ins Ausland.
Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt: Nicht die Impfung war der versprochene „Gamechanger“, sondern eine Virusvariante, die Ende November 2021 in Südafrika entdeckt und mit dem griechischen Buchstaben „Omikron“ bedacht wurde. Seinerzeit ein gefundenes Fressen für Corona-Hardliner wie Karl Lauterbach („Omikron stellt alles in den Schatten, was wir bisher in der Pandemie gesehen haben“) oder Frank Ulrich Montgomery, der zu befürchten vorgab, weitere Mutationen könnten „so gefährlich (sein) wie Ebola“.
Allein, Omikron stellte sich als harmloseste aller SARS-CoV-2-Virusvarianten heraus. Ansteckender zwar, aber eben auch deutlich weniger gefährlich, in den allermeisten Fällen sich gar nicht oder nur als Schnupfen oder als Kratzen im Hals bemerkbar machend. Immer mehr Verantwortlichen in der Politik wird klar: Hier tut sich eine Möglichkeit auf, den Covid-Ausnahmezustand zu beenden. Europa atmet auf.
Ganz Europa? Nein. Die Achse Berlin-Wien-Rom steht nach wie vor wie eine Eins. Die Italiener ächzen weiter unter den „draghonischen“ Maßnahmen, die selbst den Maskenzwang an der frischen Luft vorschreiben. Die Österreicher sehen einer bereits beschlossenen Impfpflicht entgegen, weil fast alle Parteien eisern entschlossen sind, sie auf Biegen und Brechen durchzuziehen.
Nur die FPÖ hält dagegen, so wie in Deutschland die AfD und Teile der Linkspartei. Mag auch ein Land nach dem anderen seinen „Freedom Day“ feiern, für Lockerungen oder gar die Aufhebung der grundrechtseinschränkenden Maßnahmen ist die Politik nicht zu haben. So etwas wird hierzulande mit großer „Skepsis“ gesehen, nicht selten wird weniger verspannten Regierungen Leichtsinn oder Verantwortungslosigkeit vorgeworfen. Bundeskanzler Scholz („Es darf keine roten Linien geben“) sieht die Voraussetzungen für Lockerungen in der Corona-Krise noch nicht erfüllt: „Die Lage ist nicht danach“, behauptet er; Gesundheitsminister Lauterbach warnt wie erwartet: „Wir würden Öl ins Feuer gießen und die Welle beschleunigen“. Ein Freedom-Day müsse noch warten, denn bei zu vielen Infektionen drohe der kritischen Infrastruktur der Kollaps.
Deutschland leidet an Long Panic – oder genießt sie
Mitunter werden gar Forderungen laut, selbst angesichts der aktuellen Entwicklung „nachzuschärfen“. So habe Baden-Württemberg vor kurzem erst Regeln verschärft (FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr), da könne man diese Restriktion nicht durch „haltlose Ausstiegsdebatten“ (!) konterkarieren, so Baden-Württembergs grüner Landesvater Winfried Kretschmann. Man sei immer noch in einer „dramatischen Situation“. Eine Debatte über Exitstrategien vor Ostern sehe er überhaupt nicht. „Wir brechen keine Debatte über Exitstrategien vom Zaun – das wäre völlig unangemessen und das völlig falsche Signal.“
Während man zwischen Flensburg und Passau an Long Panic leidet bzw. diese eigentlich eher zu genießen scheint und sich deshalb „haltlose Ausstiegsdebatten“ verbittet, werden anderswo in Europa zunehmend Nägel mit Köpfen gemacht. Wagen wir einen Blick über den teutonischen Tellerrand hinaus: Was passiert gerade wo?
Schweden hat die Aufhebung fast aller Maßnahmen angekündigt. Studien hätten gezeigt, dass die Omikron-Variante des Virus zu weniger schweren Erkrankungen führe, so Ministerpräsidentin Magdalena Andersson. Nun werden die letzten bestehenden Restriktionen in dem Land, das ohnehin nur sehr wenige erlassen hatte und mit seinem Sonderweg unterm Strich sehr gut gefahren ist, kassiert, von der Begrenzung von Besucherzahlen bei Veranstaltungen bis zum Vorzeigen eines Impfnachweises. Selbst die Empfehlung (!) zum Tragen einer Maske im öffentlichen Verkehr zu Stoßzeiten wird aufgehoben.
Auch Dänemark hat sich von allen Corona-Beschränkungen verabschiedet. Covid-19 wird bei unserem nördlichen Nachbarn nicht mehr als „gesellschaftskritische Krankheit“ eingestuft. Masken, Impfnachweise, Genesungen und negative Tests: adieu!
Norwegen beendet einen Großteil der Maßnahmen. Der Breitensport und andere Freizeitaktivitäten können ohne Einschränkungen wieder voll aufgenommen werden, Kinos, Theater und Kirchen wieder voll besetzt sein. Man wisse nun, dass die Krankheitslast durch die Omikron-Variante des Coronavirus geringer sei und die Impfstoffe sehr vielen Menschen in Norwegen einen guten Schutz lieferten. Deshalb könne man viele Maßnahmen aufheben, obwohl die Neuinfektionszahlen schnell steigen.
Auch Israel wird entspannter
Freiheitsluft schnuppert man auch in Großbritannien: „Da Corona endemisch wird, müssen wir die gesetzlichen Verpflichtungen durch Ratschläge und Empfehlungen ersetzen“, sagte Premierminister Boris Johnson. Man gebe die Verantwortung an die Bürger zurück. Impfnachweis und Maskenpflicht sind auf der Insel Geschichte.
In der Schweiz sollen bei einem positiven Verlauf der derzeitigen Corona-Welle am 17. Februar möglichst fast alle Beschränkungen fallen. Dazu zählen unter anderem der Impfnachweis für Restaurants und Kulturveranstaltungen sowie die Maskenpflicht in Geschäften und im öffentlichen Personenverkehr.
Zeitweilig war das Corona-Regime in Spanien besonders streng. Das ist vorbei – die spanische Regierung vollzieht einen Strategiewechsel. Corona wird nun wie eine Grippewelle behandelt, Maßnahmen werden zurückgenommen. Selbst in Frankreich, wo zuletzt die Einführung des „pass vaccinal“ für einen Proteststurm sorgte, werden die Maßnahmen zumindest gelockert, die Kapazitätsbeschränkungen für Sport- und Kultureinrichtungen aufgehoben – ebenso wie Maskenregelungen im Freien. Die Homeoffice-Verpflichtung wird in eine Empfehlung umgewandelt.
Rekord-Ansteckungszahlen in Israel lösen dort keine Panik mehr aus. Im Gegenteil: Bald brauchen die Israelis nur noch für sehr große Veranstaltungen mit hohem Ansteckungsrisiko den sogenannten „Grünen Pass“ für Geimpfte oder Genesene vorzuzeigen. Zu diesen Events gehören etwa Feiern und Hochzeiten. Aber Restaurants, Kinos und Hotels dürfen künftig auch wieder von Ungeimpften besucht werden.
In Amerika glaubt man noch an den mündigen Bürger
Und Amerika hat es ohnehin besser, wie ja schon Johann Wolfgang von Goethe wusste. Aktuell haben 37 der 50 US-Bundesstaaten Maßnahmen abgeschafft – wenn überhaupt noch welche in Kraft waren. In Florida etwa hob Gouverneur Ron DeSantis schon im Mai vergangenen Jahres alle Corona-Maßnahmen auf. In Mississippi und in Texas waren schon zwei Monate zuvor alle Maßnahmen abgeschafft worden. Dort glaubt man tatsächlich an den mündigen Bürger. Hören wir Greg Abbott, den Gouverneur von Texas: „Jeder Texaner hat das Recht, für sich und seine Kinder zu entscheiden, ob er Masken trägt, seine Geschäfte öffnet oder sich impfen lässt.” In Texas ist es sogar verboten, einen Impfnachweis zu fordern, um jemandem Zutritt zu einem Geschäft zu gewähren (Senate Bill 968).
Und wo die Politik sich hartleibig zeigt, kommt nicht selten die Justiz ins Spiel. Sie warf der Politik schon so manchen Stock zwischen die Speichen, verfügte die Aufhebung von Maßnahmen wie Lockdowns und Maskenzwang. Ach ja, die Unabhängigkeit der Gerichte. Davon können wir in Zeiten eines Verfassungsrichters wie Stephan Harbarth nur träumen.
Jedenfalls ist festzustellen:
Der Wind dreht sich, mögen sich „Scholz & Friends“ noch so verzweifelt gegen „Öffnungsdiskussionsorgien“ (Angela Merkel) stemmen und die Coronoia weiter befeuern.
Sie wollen es besonders gründlich machen.
Dabei weiß doch jeder aus seiner Schulzeit, dass der schlimmste Streber und Schleimer der Klasse auch immer am unbeliebtesten war.
Irgendwann lacht zwar nicht unbedingt die Sonne über Deutschland, aber doch die Welt.
Quelle: https://www.achgut.com/artikel/europa_kommt_zur_vernunft._und_wir
Bild: Twitter Screenshot – SPD Fraktion Wahl des Bundespräsidenten
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