In den Mainstream-Medien werden die wirtschaftlichen Schäden seit Beginn der Pandemie kaum thematisiert.
Ein kritischer Blick auf die Lage im Mittelstand zeigt deutlich, dass eine wirtschaftliche Erholung noch in weiter Ferne liegt. Die galoppierende Inflation lässt erahnen, mit welchen Wohlstandsverlusten breite Schichten der Bevölkerung rechnen müssen.
Alles hat ein Ende.
Auch die Corona-Maßnahmen werden in Deutschland in Kürze enden.
Die Kollateralschäden sind mittlerweile zu groß, der Druck im Kessel zu hoch, die Reserven aufgezehrt und große Teile der Bevölkerung in vielerlei Hinsicht ausgepowert. Die seit März 2020 staatlich verordneten Maßnahmen wirken auf unsere im internationalen Vergleich sowieso schon schwächer werdende Volkswirtschaft wie ein Katalysator, der den Niedergang massiv beschleunigt.
Die galoppierende Inflation zeigt deutlich, mit welchen Wohlstandsverlusten breite Schichten der Bevölkerung rechnen müssen. Bis heute wurden diese Verluste von der Regierung noch recht gut verschleiert, großzügiger Kurzarbeitsregeln und Subventionen an die Großindustrie sei Dank.
Mit der Kurzarbeit wurden laut Bundesarbeitsminister „Millionen Arbeitsplätze durch die Pandemie gerettet“, aber diese Gelddruck-Orgien lassen sich nicht endlos fortsetzen. Mit dem Jahresbeginn 2022 setzte nochmals eine massive Teuerungswelle ein, die für viele Bürger starke Belastungen mit sich bringt, nicht wenige stellt sie vor zunehmend existenzielle Probleme.
Durch die aktuell einsetzenden „Öffnungsorgien“ bei unseren unmittelbaren Nachbarn kommt unsere Volkswirtschaft zusätzlich unter Druck.
Wer einigermaßen grenznah wohnt, wird große Teile seines privaten Konsums mitsamt seiner Freizeitgestaltung ins maskenbefreite Nachbarland verlegen. Je länger die weitgehend nutzlosen Corona-Maßnahmen bei uns aufrechterhalten werden, umso größer wird das Einzugsgebiet dieser speziellen Grenzpendler werden.
Viele Bürger werden am Wochenende kilometerlange Staus an den Grenzübergängen bewusst in Kauf nehmen, um wenige Stunden Freiheit genießen zu können. Durch die niedrigeren Spritpreise im Ausland lassen sich solche Ausflüge in Bezug auf die Fahrtkosten möglicherweise sogar kostenneutral gestalten.
Aber auch Wirtschaft und Industrie werden die neuen Freiheiten im benachbarten Ausland schnell zu nutzen wissen.
Unsere Volkswirtschaft befindet sich seit Jahren in einem harten internationalen Wettbewerb. Wenn die Standortbedingungen auf deutscher Seite zu sehr ins Negative abdrehen, dann werden Investitionen umgeleitet, Kapital fließt ab und engagierte Unternehmer sowie hochqualifizierte Arbeitnehmer beginnen abzuwandern.
Zu den zahlreichen Standortfaktoren zählt auch die staatliche Bürokratie. Die kleinteiligen deutschen Corona-Maßnahmen beschränken die Freiheit für unternehmerisches Handeln, sie sind ein einziges bürokratisches Monster, dämpfen – abseits der Pharmaindustrie – jede Form von wirtschaftlicher Erholung und vernichten Produktivität.
Einzelne Politiker haben für sich und ihre Nationen die Gunst der Stunde erkannt
Die bis vor Kurzem in der westlichen Welt noch recht homogene politische Front der Pandemie-Hysteriker ist aktuell am Aufbrechen, weil einzelne Politiker für sich und ihre Nationen die Gunst der Stunde erkannt haben, mit Freiheit und Eigenverantwortung auf der politischen Bühne und im internationalen Standort-Ranking wichtige strategische Schritte nach vorne zu machen. In einzelnen US-Bundesstaaten empfiehlt sich bereits so mancher geschickt agierende Gouverneur für höhere politische Ämter. Auch in England wurde frühzeitig ein pragmatischer Kurs eingeschlagen, gefördert von einer politischen Diskussionskultur, von der wir hier in Deutschland noch nicht einmal im Ansatz mehr träumen dürfen.
Regierungen, die in Anbetracht des laufenden Öffnungskurses zu lange an der weitgehend sinnfreien Selbst-Strangulierung ihrer Volkswirtschaften festhalten, sollten nicht auf allzu wohlwollende Einträge in den Geschichtsbüchern ihrer Nationen hoffen. Gorbatschows Mahnung dürfte auch in Bezug auf die in Deutschland längst überfällige Aufhebung des Notstandes Gültigkeit behalten: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“
In den Mainstream-Medien werden die wirtschaftlichen Schäden seit Beginn der Pandemie kaum thematisiert. Im Gegenteil: Die wirtschaftliche Erholung sei bereits in vollem Gange und das Vorkrisenniveau werde schon bald erreicht. Also alles in Butter?
Nach zwei Jahren Pandemie erschöpft und demotiviert
Nach meiner Einschätzung sieht die Lage komplett anders aus. Insbesondere für große Bereiche in der mittelständischen Wirtschaft stellten die Corona-Maßnahmen eine massive Belastungsprobe dar. Jetzt hatte der Mittelstand in Deutschland schon vor 2020 mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen, entsprechend begrenzt sind die Reserven zur Bewältigung weiterer Probleme. Die über fast 24 Monate zugefügten Schäden sind aus Sicht einzelner Marktteilnehmer sogar struktureller Natur, daher steht so manche der jetzt dringend erforderlichen Reparaturmaßnahmen unter Realisierungsvorbehalt.
Es ist zu befürchten, dass bei einer nicht unerheblichen Zahl von Unternehmen der negative Ausblick auf eine erfolgreiche Sanierung den Gang zum Insolvenzrichter erforderlich machen könnte. Nach meinem Eindruck sind viele Unternehmer und Selbstständige nach zwei Jahren Pandemie erschöpft und demotiviert an einem Punkt angekommen, der sie ihre weitere betriebliche Zukunft und ihr persönliches Engagement kritisch überdenken lässt. Unsere Volkswirtschaft steht definitiv vor einer kritischen Phase, es ist zu befürchten, dass einzelne Branchen heute schon existenziell ruiniert sind. Das wahre Ausmaß der Schäden wird in den kommenden Monaten sukzessive an die Öffentlichkeit kommen.
Um mir hierzu ein Bild zu machen, habe ich in den vergangenen Wochen gezielt das Gespräch mit mittelständischen Unternehmern im In- und Ausland gesucht. Einzelne Mandanten, die notorisch über wenig Gesprächszeit verfügen, wurden von mir Anfang Dezember 2021 mit einem Fragebogen kontaktiert. Die mittelständische Wirtschaft ist für unser Land traditionell von großer Bedeutung, daher halte ich es für wichtig, Feedback aus dem Mittelstand in die öffentliche Diskussion einzuspeisen.
Auch wenn Prognosen immer schwierig sind, so möchte ich nachfolgend fünf Thesen aufstellen für die Zukunft unserer Volkswirtschaft für die Zeit nach dem Ende der Pandemie. Die Reihenfolge der Thesen stellt keine wie auch immer sortierte Priorisierung dar, sondern bildet eine gewisse logische Verkettung ab. Beginnen wir mit These Nr. 1:
These Nr. 1: Die besonders durch den Lockdown getroffenen Branchen verlieren unwiederbringlich große Teile der Arbeitskräfte
In zahlreichen Branchen war jede Form von beruflicher Tätigkeit über Monate hinweg verboten oder zumindest sehr stark eingeschränkt. Dazu zählen unter anderem die Gastronomie, die Hotellerie, der Kunst- und Kulturbetrieb, der Non-Food-Einzelhandel, die Event- sowie die Fitnessbranche. Besonders herausstellen möchte ich an dieser Stelle auch das Messewesen. Die 25 Messeplätze in Deutschland waren während der gesamten Pandemie komplett geschlossen, lediglich während eines kurzen Zeitfensters im Spätsommer 2021 durften einige Veranstaltungen unter praxisfernen Hygienevorschriften durchgeführt werden. Der exportorientierte Mittelstand verlor mit der Schließung der Messen seine internationale Vertriebsplattform, die im Jahr 2019 noch Millionen ausländische Besucher und zahlungskräftige Kunden ins Land lockte.
Wer in der freien Wirtschaft einige Jahre Erfahrung sammeln konnte, der weiß, dass in Krisensituationen insbesondere die jungen und leistungsorientierten Mitarbeiter zuerst von Bord gehen. Bereits im Mai 2020 habe ich überraschend Service-Mitarbeiter meines lokalen Lieblingsrestaurants im Supermarkt, hinter der Wursttheke arbeitend, wiedergetroffen. Rückblickend gesehen, haben diese „Marktteilnehmer“ für sich damals eine vollkommen rationale und weise Entscheidung getroffen, denn ein Verbleib in der Gastronomie hätte nicht nur finanzielle Einbußen zur Folge gehabt.
Insbesondere für jüngere Mitarbeiter dürfte, unabhängig von der Branche, deutlich schwerer wiegen, dass sich in der Kurzarbeit, d.h. im beschäftigungslosen Zustand, keine Chancen bieten, berufliche Erfahrungen zu sammeln und neue Kontakte zu schließen, die in der weiteren Karriere von Nutzen sein könnten. Auch aus den Messegesellschaften sickerte Anfang 2021 durch, dass sich mangels Perspektive zahlreiche qualifizierte und gut vernetzte Projektleiter bereits neue Herausforderungen in der Industrie gesucht hätten. Wer möchte auch in seinem Lebenslauf stehen haben, dass er über Jahre hinweg, ohne direkten Kontakt zu Kollegen, in der Jogging-Hose zuhause sitzend, Projekte remote geplant, anschließend, nach der „üblichen“ Absage der Veranstaltung, wieder verworfen bzw. rückabgewickelt und dann final im elektronischen Mülleimer entsorgt habe.
Mangels konkreter Aufgaben geht in all den zwangsweise stillgelegten Unternehmen die Ergebnisorientierung in der Teamarbeit verloren. Leistungsorientierte Mitarbeiter suchen sich dann schnell ein anderes, herausforderndes Umfeld und konzentrieren sich wieder auf ihre individuellen Karriereziele. Wenn die Leistungsträger abwandern, dann fehlen den krisengebeutelten Unternehmen die für die wirtschaftliche Erholung so wichtigen kreativen Ideen- und Impulsgeber.
Die abgewanderten Mitarbeiter werden auch nach dem Aufheben der Maßnahmen nicht zu ihren ursprünglichen Arbeitgebern zurückkehren, schließlich würden sie sich damit erneut unkalkulierbaren beruflichen Risiken aussetzen. Wer kann im aktuellen politischen Umfeld garantieren, dass bis zur 18. Virus-Welle Anfang 2026 nicht erneut mehrfach die staatlich verordnete Stilllegung ganzer Branchen droht. Aus den hier dargelegten Gründen werden auch die meisten Ausbildungsplätze in diesen „Hochrisiko-Branchen“ auf Jahre hinweg unbesetzt bleiben.
Diese vollkommen nachvollziehbare Risiko-Aversion auf Seiten der Mitarbeiter und Auszubildenden ließe sich möglicherweise bei einigen Betroffenen durch Zahlung einer „Risikoprämie“ ausgleichen, sprich die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen in den oben genannten Branchen müssten kurzfristig drastisch steigen. Da in fast allen Unternehmen dieser Branchen die finanziellen Reserven komplett aufgebraucht sind, müssten diese zusätzlichen Mittel unmittelbar aus dem wiederanlaufenden Betrieb generiert werden. Ob sich massiv steigende Personalkosten problemlos an die Endkunden in Form höherer Ticketpreise oder Mitgliedsbeiträge weitergeben lassen, halte ich im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld für äußerst fraglich, zumal das Preisgefüge ja schon vor der Krise ausgereizt war. Daher verlieren zahlreiche der durch den Lockdown besonders getroffenen Branchen unwiederbringlich große Teile der Arbeitskräfte. Parallel dazu wird auch die Zahl der Unternehmen in diesen Branchen weiter zurückgehen. Die Politik hat das Vertrauen in die Zukunft dieser Branchen zerstört.
These Nr. 2: Der Fachkräftemangel wird sich weiter verschärfen
Der gesamte Arbeitsmarkt befindet sich im Umbruch. In den USA, z.B., haben 2021 so viele Arbeitnehmer wie nie zuvor ihren Arbeitsplatz gekündigt. Schon herrscht in vielen Teilen des Landes ein extremer Mangel an Arbeitskräften, von der „Great Resignation“ ist die Rede. Während früher in der Regel gekündigt wurde, um an der neuen Stelle ein höheres Einkommen zu erzielen, spielen in Pandemiezeiten andere Gründe eine Rolle. Viele Mitarbeiter sind schlicht und einfach erschöpft, ziehen eine kritische Bilanz ihrer Lebenssituation und versuchen, durch eine berufliche Umorientierung wieder mehr Freude an ihrer Arbeit zu erzielen und neuen Lebensmut zu schöpfen, selbst unter Inkaufnahme begrenzter Einkommensverluste. Insbesondere Arbeitnehmer mit Familie befinden sich seit Mitte März 2020 in einem nerven- und kräftezehrenden Mehrfronten-Krieg, der viele an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit bringt. Ich möchte hier gezielt auch die vielen Singles erwähnen, die zum Teil sehr unter den verordneten Kontaktbeschränkungen und dem Zurückfahren des gesellschaftlichen Lebens leiden. Zwei Jahre Corona haben bei vielen Bürgern tiefe seelische Wunden hinterlassen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Familienstand.
Die einen versuchen den durch die Corona-Maßnahmen erzeugten hohen psychischen Druck zu kompensieren, indem sie gezielt in ein psychisch weniger belastendes Arbeitsumfeld abwandern. In Branchen mit allgemein hohen Arbeitszeiten, aber auch in Branchen, die in letzter Zeit einen künstlich erzeugten Nachfrage-Boom zu verkraften hatten, wie z.B. Logistik und IT, zieht es zahlreiche ausgepowerte Mitarbeiter in weniger fordernde Tätigkeiten. Wer über gar keine Reserven mehr verfügt, der steigt zur Erholung temporär ganz aus: Mehrere Mandanten berichteten mir von einer gestiegenen Nachfrage nach Sabbaticals insbesondere unter den jüngeren Mitarbeitern in ihren Belegschaften. Ältere Mitarbeiter wiederum versuchten, mögliche Vorruhestands-Regelungen anzunehmen, solange diese von den Betrieben überhaupt noch angeboten werden (können). Sowohl Sabbatical als auch Vorruhestand „gönnen“ sich primär die hochqualifizierten, besserverdienenden Fach- und Führungskräfte. Die Masse der Arbeitnehmer kann sich in Anbetracht der steigenden Lebenshaltungskosten keines der hier beschriebenen Ausstiegsszenarien leisten.
Eine gefährliche Schattenseite mit – aus Sicht der Unternehmen – negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zeigte das von den einschlägigen IT-Konzernen hochgejubelte Homeoffice. Vielen „High Potentials“, die mit den digitalen Tools versiert umgehen können und Wissensarbeit leisten, sind durch das zwangsverordnete Homeoffice die eigenen internationalen Karriere-Chancen jetzt erst bewusst geworden. Homeoffice führt nach Aussage zahlreicher Personalverantwortlicher zu einer gefährlichen Entfremdung der Mitarbeiter vom Arbeitgeber. Wer 90 Prozent seiner Arbeitszeit im Homeoffice verbringt, der entwickelt nur sehr begrenzt eine Bindung zum Team und zum Standort des Unternehmens mitsamt seiner Infrastruktur. Am Ende sinkt die Loyalität zum Arbeitgeber, und es spielt keine Rolle mehr, welches Unternehmen im Kopf des monatlichen Gehaltszettels steht. Schlafende Hunde soll man eben nicht wecken.
Insbesondere hochqualifizierte Singles werden für sich zunehmend Arbeitsmodelle nutzen, die überwiegend auf „remote“ angelegt sind und die Erbringung der Arbeitsleistung von beinahe beliebigen Standorten aus ermöglichen. Dabei werden Standorte mit guter digitaler Infrastruktur, einem hohen Freizeitwert und niedrigen Steuersätzen für Gutverdiener eine wachsende Anziehungskraft ausüben. Hochqualifizierte werden auch vermehrt in Länder wechseln, wo sich mögliche zukünftige Freiheitseinschränkungen besser ertragen lassen, weil die Regeln von den Behörden locker gehandhabt werden und weil Klima und Umgebung in Zeiten der Kontaktbeschränkung einen höheren Freizeitwert garantieren.
Verstärkt wird dieser für unsere Volkswirtschaft äußerst bedenkliche „Brain Drain“ durch einen weiteren Trend, den ich so im ersten Moment nicht erwartet hätte: Mehrere Unternehmer berichteten mir fast gleichlautend, dass es junge ausländische Fachkräfte in ihre Heimatländer zurück zieht. Der Grund hierfür liegt in den Reisebeschränkungen. Zu einem beruflichen Engagement in einem Land fernab der Heimat gehört immer auch ein regelmäßiger Heimatflug. Insbesondere ungebundene Singles möchten mehrmals im Jahr für ein paar Tage zurück in den Schoß der Familie. Vor allem in Notsituationen, wenn Familienangehörige in der Heimat auf kurzfristige Hilfe angewiesen sind, muss eine zeitnahe Rückkehr uneingeschränkt möglich sein. Grenzschließungen und Reisebeschränkungen hatten hier verheerende psychologische Auswirkungen, führten zu einem Vertrauensverlust und bei einigen Mitarbeitern infolgedessen wohl zur grundsätzlichen Sinnfrage. Der Drang zurück zur Familie ist groß, insbesondere in Krisenzeiten. Wer ausländische Fachkräfte erfolgreich in den Arbeitsmarkt integrieren will, darf deren Mobilität nicht einschränken. Der Fachkräftemangel wird sich auch hierdurch weiter verschärfen.
These Nr. 3: Die Mittelständischen Unternehmen verlieren weiter an Boden im internationalen Wettbewerb
Zumindest bis Ostern 2020 gab es auch im Unternehmerlager und unter den Selbstständigen eine breite Zustimmung für eine vorsichtige Vorgehensweise. Aber mit jedem weiteren Tag wuchs die Skepsis in Anbetracht leerer Kassen und ausbleibender Übersterblichkeit. Ich erinnere mich heute noch genau an ein Telefongespräch mit einem meiner mittelständischen Mandanten Mitte April 2020, ungefähr vier Wochen nach Beginn des ersten Lockdowns. Er habe „30 Jahre nichts falsch gemacht, immer brav Steuern gezahlt – und jetzt mache der Staat ihm sein Geschäft kaputt.“ Wer als Firmeninhaber für eine dreistellige Mitarbeiterzahl Verantwortung trägt, der kann schon mal nervös werden, wenn beim Blick aus dem Chef-Büro der mit Dienstfahrzeugen komplett zugestellte Parkplatz der Vertriebsabteilung ins Auge sticht, weil deren Fahrer nicht auf Akquise beim Kunden, sondern in Kurzarbeit auf dem heimischen Sofa verweilen.
Die Mehrzahl der Selbstständigen und Unternehmer leidet unter der Krise, für nicht wenige bedeutete der Lockdown ohne jegliche Vorwarnung ein de-facto Berufsverbot. Das Streben nach Aktivität steckt beim Unternehmer schon im Bezeichner. Diese Leute wollen raus, etwas unternehmen, neue Märkte entdecken und anschließend idealerweise dominieren. Würden Unternehmer lieber im Büro sitzen und von dort aus den Status quo verwalten, hätte sich in unserer Sprache dafür der Begriff „Unterlasser“ herausgebildet. Von der ehemals grundgesetzlich garantierten „freien Berufsausübung“ ist seit März 2020 nicht mehr allzu viel übriggeblieben, die Corona-Maßnahmen lasten schwer auf den Unternehmern und Selbstständigen. So sind z.B. Kontaktbeschränkungen und Reiseverbote für jede Form von unternehmerischer Initiative und kreativer Tätigkeit vollkommen kontraproduktiv. Der Erfolg zahlreicher Mittelständler ist in der Spezialisierung begründet. Dazu komplementäre Aufgaben werden über ein Netzwerk von Kooperationen angegangen. Diese Kooperation müssen regelmäßig aktiv gepflegt werden, im persönlichen Austausch von Angesicht zu Angesicht. Durch die Corona-Maßnahmen wurden diese für die Unternehmen so wichtigen Kooperationen häufig behindert, in zahlreichen Fällen sogar ernsthaft beschädigt.
Viele Unternehmer plagen Zukunftsängste und finanzielle Sorgen. Der Zusammenbruch der Lieferketten im Bereich der Mikroelektronik belastet ganze Hightech-Branchen und lässt so manchen Inhaber seit Monaten kaum noch schlafen. Auch die Mitarbeiterführung wurde in den vergangenen 22 Monaten nicht einfacher, schließlich bringt ein Großteil der Arbeitnehmer frühmorgens regelmäßig einen ganzen Rucksack an persönlichen Sorgen und Nöten mit an den Arbeitsplatz.
Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass es aktuell auch Unternehmen gibt, die sich guter Geschäfte erfreuen. Jede Krise hat auch ihre Gewinner. Aber die Liste der ohne eigenes Verschulden in die Krise gerutschten Corona-Verlierer ist lang – und die Liste wird täglich länger.
Jetzt wäre es müßig, darüber zu diskutieren, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer aktuell mehr unter der Situation leiden. Im Unterschied zum öffentlichen Sektor, in dem niemand Einkommenseinbußen erleiden musste, mussten in der freien Wirtschaft fast alle Verluste hinnehmen. Weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer in vielerlei Hinsicht gemeinsam in einem Boot sitzen, unterscheiden sich auch die jeweiligen Krisen-Bewältigungsstrategien nicht allzu sehr. Werfen wir hierzu einen Blick auf die „Vorzeigebranche“ Maschinenbau: Das Durchschnittsalter der Inhaber ist deutlich jenseits der 50. Viele haben sich seit Jahrzehnten abgerackert und mussten jetzt in der Pandemie völlig überraschend massive Einbußen hinnehmen, teilweise sogar Reserven aktivieren, um das Lebenswerk zumindest vorrübergehend noch am Überleben zu halten.
Zahlreiche Firmeninhaber sind – genauso wie ihre Mitarbeiter – nach zwei Jahren Corona physisch ausgelaugt und psychisch angeschlagen. Es wäre vermessen, von allen Mitgliedern dieser Gruppe, die schon so viel in ihrem Leben für unsere Volkswirtschaft und das Gemeinwohl geleistet haben, weitere Kraftanstrengungen zu erwarten. Zudem sind die wirtschaftlichen Aussichten vollkommen unsicher, es fehlt eine klare Aussage seitens der Politik, ob sich solch eine Pandemiebekämpfung bei COVID-23 oder Influenza-25 wiederholen könnte. Ohne eine zeitnahe und transparente politische Aufarbeitung der Krise fehlt das Vertrauen in die Zukunft des Standorts, die Investitionsbereitschaft wird daher bis auf Weiteres auf niedrigem Niveau verharren.
Entsprechend Sabbatical und Vorruhestand auf Arbeitnehmerseite haben auch zahlreiche Unternehmer eine für sie geeignete Exit-Strategie umgesetzt oder planen, dies in Kürze zu tun. Wer die Möglichkeit hat, der wird das Unternehmen verkaufen oder vorzeitig an die nächste Generation übergeben. Wer über derlei Handlungsoptionen nicht verfügt, der fährt sein Engagement sukzessive herunter bei gleichzeitiger Einstellung jeglicher Investitionstätigkeit. Salopp gesprochen: Man lässt es bis zum Renteneintritt „auslaufen“.
Im Ausland lauern schon die Firmenaufkäufer, die darauf hoffen, ehemals solide deutsche Unternehmen mit verwertbarem „Intellectual Property“ möglichst billig zu kaufen. Das Kapital für diese Investitionen haben jetzt die, die uns ihre Dienstleistungen und Waren für unseren Hausarrest bereitgestellt haben. Sowohl die großen US-IT-Konzerne als auch zahlreiche asiatische Hersteller werden in den kommenden Monaten fleißig auf Einkaufstour gehen. Der vor ungefähr einem Jahrzehnt begonnene Ausverkauf der deutschen Wirtschaft wird sich damit fortsetzen!
Wer die Unternehmer in ihren Handlungsmöglichkeiten beschränkt, vernichtet Motivation und schwächt wirtschaftliche Initiative. Unsere mittelständischen Unternehmen verlieren durch Corona weiter an Boden im internationalen Wettbewerb.
These Nr. 4: Die Gründungs-Aktivität wird weiter zurückgehen
„Ein Land ohne Gründer“ lautete eine Schlagzeile in der FAZ im August 2019.
Der Autor beklagte im Artikel, dass noch nie so wenige neue Unternehmen in Deutschland gegründet worden seien wie im vorangegangenen Jahr 2018. In die gleiche Kerbe schlagend, forderte erst kürzlich die Chefvolkswirtin der KfW-Bank, dass „der Gründungsgeist konsequent neu entfacht“ werden müsse, „denn ohne Gründerinnen und Gründer leidet die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.“
Die Corona-Maßnahmen stellen einen einmaligen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik dar, denn noch nie wurde so massiv in die unternehmerische Freiheit eingegriffen. Der Gründungsgeist wurde dadurch in der Tat entfacht – bei Schnelltestzentren und Essens-Lieferdiensten. Gerade mit dem erstgenannten Unternehmenstyp sind viele Unternehmer in wenigen Monaten tatsächlich zum Millionär geworden. Ich gönne es jedem einzelnen, mein Glückwunsch. Dennoch ist der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Neugründungen mangels Innovation und fehlender Exportchancen gleich Null. In allen anderen Bereichen der Wirtschaft sieht es allerdings sehr unerfreulich aus in Bezug auf vielversprechende Neugründungen. Dieser Sachverhalt ist aber wenig verwunderlich: Wenn schon bei den etablierten Marktteilnehmern Flucht- und Absetzungstendenzen offensichtlich werden (s.o.), wie sollen sich dann junge Leute für einen risikobehafteten Markteintritt motivieren können? Die KfW bestätigt, dass sich der Gründungsgeist ausgerechnet in der so wichtigen Generation unter 30 Jahren „besonders stark abgeschwächt hat.“
Rechtssicherheit und Reisefreiheit sind wichtige Standortfaktoren. In beiden Kategorien hat Deutschland durch die überzogenen Corona-Maßnahmen massiv an Vertrauen eingebüßt. Wer gründet heute ein Unternehmen, wenn ihm schon im kommenden Herbst beim Aufzug der ersten Kaltwetterfront möglicherweise erneut die berufliche Tätigkeit verboten wird und er seine neu gewonnenen Kunden in Basel, Breslau oder Kopenhagen nicht mehr persönlich besuchen darf?
Aus meiner Sicht wird zukünftig nur noch gegründet werden, wenn großzügig Fremdkapital zur Verfügung steht oder das Vorhaben in irgendeiner Form staatlich subventioniert ist. In einer völlig verunsicherten Gesellschaft, die sich von Zukunftsängsten geplagt und mit Wohlstandsverlusten konfrontiert sieht, sinkt vollkommen nachvollziehbar die Bereitschaft, finanzielle Risiken einzugehen. Die wenigen verbleibenden Mutigen, die sich auf das Abenteuer Selbstständigkeit einlassen, werden der Risikominimierung einen deutlich höheren Stellenwert einräumen, als es Gründer noch vor 10 oder 20 Jahren getan haben.
Leider entpuppen sich solche risikoreduzierten Gründungsvorhaben häufig als Luftschlösser, forciert von Gründern, die lediglich einen schnellen und für sie lukrativen Exit erreichen wollen. Die echte unternehmerische Basisarbeit kommt üblicherweise von den Gründern, die zumindest anfangs voll ins persönliche Risiko gehen und überwiegend mit Eigenkapital gründen. Ob sich auf dieses Abenteuer bei den aktuellen politischen Randbedingungen noch viele Menschen einlassen werden, ist fraglich.
Das Silicon Valley hat sich durch die Corona-Maßnahmen vom Standort Deutschland um weitere Lichtjahre entfernt. Eine sichere Stelle beim Staat oder einer staatsnahen Organisation ist für viele junge Menschen einfach zu verlockend. Es spricht leider viel dafür, dass die Gründungs-Aktivität in Deutschland noch weiter zurückgehen wird.
These Nr. 5: Die Inflation kommt und bleibt
Plexiglasscheiben, Abstands- und Wegemarkierungen, Hinweisschilder, sensorgesteuerte Desinfektionsmittelspender, elektronische Zutritts-Zähler: Die Unternehmen mussten sich mächtig ins Zeug legen, um den zahlreichen Hygienevorschriften zu genügen. All diese Maßnahmen sind aus Sicht der Buchhaltung nichts weiter als Kosten. Gestiegene Kosten reduzieren die Erträge, was auf Seiten der Inhaber der Unternehmen selten Begeisterung hervorruft. Also wird versucht, auf der Einnahmenseite zu reagieren. Es dauerte im Frühjahr 2020 nicht allzu lange, bis die unterschiedlichsten Anbieter und Dienstleister urplötzlich „Hygiene-Pauschalen“ oder ähnlich lautende Positionen in den Rechnungen ergänzten. Hausarzt, Zahnarzt, Orthopäde: Überall entstanden plötzlich „erhöhte Hygiene-Aufwendungen“. Den Vogel abgeschossen hat erst kürzlich meine private Krankenversicherung, die zusätzlich zu einer erheblichen Beitragserhöhung einen vorerst auf ein Jahr befristeten „Corona-Zuschlag“ in Höhe von 3,40 Euro erhebt – monatlich! Wozu mein Elektriker bei jedem Einsatz 4,90 Euro extra in Rechnung stellt, bleibt mir ebenfalls rätselhaft. Möglicherweise finanziere ich damit für ihn eine speziell isolierte Mund-Nasen-Bedeckung mit erhöhter Durchschlagfestigkeit. Letztendlich läuft hierbei im Markt ein ganz normaler Vorgang ab: Jeder Marktteilnehmer versucht einfallsreich, die ihm von staatlicher Seite aufgebürdeten Zusatzkosten weiterzugeben.
Aber es gibt noch weitere Gründe, warum die Unternehmen an der Preisschraube drehen müssen. Wie bereits besprochen haben die Corona-Maßnahmen eine oftmals dämpfende Wirkung auf die Arbeitsproduktivität. Zahlreiche Prozesse in den Unternehmen laufen langsamer, Projekte nehmen mehr Zeit in Anspruch. Wenn die Produktivität der Mitarbeiter sinkt, müssten eigentlich parallel dazu die Löhne runter gehen. Im Mittelstand wird aber niemand auch nur eine Sekunde ernsthaft über diese Handlungsoption nachdenken. Folglich müssen zum Ausgleich die Preise hoch, um die Umsatzrendite zu halten.
Die Liste der Kostentreiber ist damit noch nicht zu Ende. Die Wirtschaft ist zusätzlich auf breiter Front mit steigenden Importpreisen belastet. Ausgelöst durch den nach Pandemie-Beginn künstlich erzeugten Nachfrage-Boom nach elektronischen Geräten erhöhte so mancher asiatische Chip-Hersteller entsprechend selbstbewusst seine Preise. Und das Ende der Fahnenstange scheint im Chip-Markt noch lange nicht in Sicht: Laut Aussage meiner Mandanten gibt kaum noch ein Hersteller von Mikroelektronik für mehr als drei Monate eine Preisgarantie, was als Indikator für die Turbulenzen gewertet werden kann, die aktuell noch immer in diesen Märkten herrschen. Für eine Volkswirtschaft, die in diesem strategisch wichtigen Bereich das meiste importieren muss, sind das wahrlich keine guten Aussichten.
Staatliche Hygiene-Vorschriften, sinkende Produktivität, höhere Kosten in der Beschaffung, Chip-Krise, gestiegene Energiepreise usw.: Viele Anbieter mussten in den vergangenen Monaten bereits deutlich ihre Preise erhöhen. Einige meiner mittelständischen Gesprächspartner halten eine weitere Anpassung der Preise um 10 bis 15 Prozent in den kommenden Monaten für erforderlich, um in ihren Unternehmen vorerst weiter wirtschaftlich arbeiten zu können.
Zur Klarstellung: Dabei handelt es sich immer um einen Versuch. Es ist nicht garantiert, dass sich die höheren Preise am Markt erfolgreich durchsetzen lassen. Üblicherweise stellt hierbei der Wettbewerb eine wichtige Hürde dar und erzwingt gegebenenfalls eine Korrektur oder sogar eine Rücknahme der Preiserhöhung. Wenn aber alle Anbieter in einer Krisensituation mehr oder weniger im Gleichschritt die Preise anheben (müssen), dann ist der Wettbewerb ausgehebelt. Sowohl die gewerblichen Kunden als auch die privaten Konsumenten dürften beim Einkauf im laufenden Jahr noch so manche böse Überraschung erleben.
Auch die Mitarbeiter der Unternehmen sind als private Konsumenten von den Preissteigerungen betroffen. Um die Einkommensausfälle der vergangenen 22 Monate und die steigenden (Energie-) Preise zu kompensieren, wird es für viele Arbeitnehmer naheliegend und wünschenswert sein, über ein höheres Einkommen zu verfügen. Die Gehaltsrunde 2022 ist somit eröffnet, die Diskussionen in den Betrieben könnten in den nächsten Wochen schwierig werden. Ein Mandant berichtete mir bereits von völlig abwegigen Gehaltsforderungen einzelner seiner Spitzenkräfte.
Die fünf Prozent Inflation der letzten Monate zeigen wohin die Reise geht. Es ist zu befürchten, dass die Lebenshaltungskosten weiter durch die Decke schießen und breiten Bevölkerungsschichten massive Wohlstandsverluste bevorstehen. Der große Umbruch im Arbeitsmarkt und die weiter bestehenden Turbulenzen in den Lieferketten sind deutliche Anzeichen dafür, dass die massiven Verwerfungen in der Weltwirtschaft noch lange nicht zu Ende sind. All diese Faktoren sprechen dafür, dass wir mit einer steigenden Inflation rechnen müssen und uns dieses Phänomen noch einige Jahre begleiten könnte.
Quelle: Podcast von Sam LeClerk
Quelle: Achgut.com
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