Der Ausbau der Autobahn A20 hält seit Ewigkeiten ganz Schleswig-Holstein in Atem.
Genauer gesagt, ist die A20 seit fast 30 Jahren eine Dauerbaustelle. Sie hat mittlerweile so viele Diskussionen ausgelöst, als wäre sie ein Drehbuch für eine Reality-Show namens „Autobahn-Drama Deluxe“.
Vier Bundesländer soll sie verbinden. Zwischen 1992 und 2005 wurden bereits rund 320 Kilometer Autobahn gebaut, von der Uckermark bis zur A1 bei Lübeck. Von 2005 bis 2009 kamen dann noch 22 Kilometer bis kurz vor Bad Segeberg dazu.
Und genau dort, bei Bad Segeberg, liegt der Hase nun im Pfeffer – oder besser gesagt: die Maus.
Unglaublich: Damit die A20 weitergebaut werden kann, sollen in Schleswig-Holstein vom Aussterben bedrohte Haselmäuse jetzt umgesiedelt werden. Kostenpunkt: fast eine Million Euro.
Das berichten die Kieler Nachrichten. Ein kleines, putziges Tierchen verursacht riesige Kosten – die natürlich der Steuerzahler berappen muss. Und das Irre ist: Es handelt sich laut dem Naturschutzbund NABU nur um rund 300 Mäuse! Umgerechnet kostet also die Umsiedlung von einer Maus 3.333,33 Euro. Das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen. Die Maus wird für den Steuerzahler richtig teuer.
Haselmaus – nie gehört?
Die Haselmaus ist eigentlich gar keine Maus. Auf der NABU-Seite ist zu lesen: „Die Haselmaus ist ein mausähnliches, nachtaktives Nagetier aus der Familie der Bilche oder Schläfer, ist also zoologisch nicht mit Mäusen verwandt. Die nächsten Verwandten sind der Garten- und Siebenschläfer. Die Haselmaus wiegt nur 15 bis 40 Gramm und wird knapp 15 Zentimeter lang, fast die Hälfte der Länge entfällt dabei auf den Schwanz.“
Wieso ist die Haselmaus so wichtig?
Die Haselmaus ist vom Aussterben bedroht. In der aktuellen Roten Liste der Säugetiere Schleswig-Holsteins werden Haselmäuse als „stark gefährdet“ geführt. „Es geht nicht um die Haselmaus an sich, sondern um Biodiversität“, sagt Landessprecherin Eva Krautter vom NABU-Schleswig Holstein im Gespräch mit NIUS. Und weiter: „Jede Art zählt. Wenn wir ständig Tier-Arten ausrotten, ist irgendwann ein Kipppunkt erreicht, ein Point-of-no-return. Dann fehlen zu viele Arten, um das Ökosystem am Leben zu erhalten.“
Sind die Mäusekoffer schon gepackt?
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Schleswig-Holstein sieht das anders. Sie fordert schon lange mit Nachdruck, dass im Land weitergebaut wird. Durch das bisherige Ende der A20 bei Bad Segeberg komme es in der Stadt regelmäßig zu Staus. Aus Sicht der IHK ist das nicht nur für die Anwohner ein Problem, sondern auch für die Unternehmen.
Thorsten Scholz, Referent bei der IHK zu Kiel, schrieb dazu schon im Dezember einen bissigen Kommentar. In seinem Artikel „A20 – In der ‚Ruhe liegt die Kraft‘ oder ‚Ruhe in Frieden‘“ schreibt er: „Die putzigen Haselmäuse sollen umgesiedelt werden. Bekommen die eigentlich einen Voucher für ein auf Hamster spezialisiertes Umzugsunternehmen? Die ‚Nager-Relocation GmbH‘ hat ja einen guten Ruf. Die Vorarbeiten laufen an, und man kann sich das bildlich vorstellen, wie die Haselmäuse ihre kleinen Mäusekoffer packen und in ihre neuen Quartiere ziehen. Aber, und hier kommt das große Aber, ob die putzigen Tiere ihre neuen Quartiere auch wirklich annehmen, das ist genauso offen wie das Verhalten der Öko-Verbände.“
Wie soll die Umsiedlung der Haselmäuse genau umgesetzt werden?
Sprecher Ulf Evert von der Planungsgesellschaft Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), die seit 2017 für die Planung und den Bau der A20 zuständig ist, sagt gegenüber der Bild: „Zum einen kann man sie vergrämen, in dem Vegetation stark zurückgeschnitten wird. Sie suchen sich dann anderswo einen neuen Lebensraum.“ Die zweite Methode: „Die Haselmäuse müssen händisch aus Nistkästen eingesammelt werden und werden auf Ersatzflächen wieder freigelassen.“
Laut DEGES ist nicht nur das Einfangen in der Summe enthalten. Es gehe auch darum, vorher die konkreten Lebensräume aufzuspüren, zu kartieren, neue Lebensräume anzulegen.
Kritik kommt von FDP-Fraktionschef Christopher Vogt: Das teure Umsiedeln einzelner Mäuse sei ein absurder Aufwand, der mit sinnvollem Naturschutz nicht mehr viel zu tun habe. Planungsprozesse müssten beschleunigt werden.
Sorge um Fledermäuse in Kalkberghöhle
Doch die Haselmaus ist nicht alleine Schuld am Baustopp. Geklagt wurde in der Vergangenheit auch aus Sorge um die Fledermäuse in der Segeberger Kalkberghöhle, wie der NDR berichtet. Mehr als 30.000 Tiere überwintern dort. Weil die Autobahnplaner laut dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Routen der Fledermäuse nicht ausreichend untersucht hatten, muss nachgebessert werden. Mittlerweile sieht die DEGES 13 spezielle Flora- und Faunabrücken über dem Abschnitt 3 von Weede nach Wittenborn (beide Kreis Segeberg) vor, damit Fledermäuse die Autobahn sicher überqueren können.
Die A20 – ein tierisches Autobahn-Drama.
Text: Nius.de
Bild: Radio Qfm.
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