Mit der ersten Auslandsreise geht es nach Davos.
Allein das ist ein Statement: Argentiniens libertärer Präsident Javier Milei reist in die Schweiz zum Treffen des Weltwirtschaftsforums – per Linienflug.
Seinem heruntergewirtschafteten Land hat der im vergangenen Jahr gewählte Präsident einen strikten Sparkurs verpasst. Da muss auch das Staatsoberhaupt bescheidener und anders auftreten.
Anders auftreten: Das ist Mileis erklärtes Ziel. Er will auf der elitistischen Veranstaltung sprechen, aber nicht als gleichgesinnter. Der Argentinier ist gekommen, um eine Gegenposition bei der sonst sehr von Konsens über globale Endziele getragenen Veranstaltung einzunehmen. „Das Ziel der Reise ist es, die Ideen der Freiheit in einem Forum zu verankern, das von der sozialistischen Agenda 2030 kontaminiert ist, die nur Elend in die Welt bringt“, heißt es in einer Kampfansage seines Teams. Die wird bei der Landung in Zürich veröffentlicht.
Der Vorsitzende des Weltwirtschaftsforums heißt den Argentinier später auf dem Podium willkommen – freundlich, aber auch kühl stellt er Milei vor. „Wie Sie wissen, der frei gewählte Präsident Argentiniens“, sagt Schwab. Er spricht ihm aber ein „freundliches Willkommen“ aus – „wir sind alle sehr gespannt, Ihnen zuzuhören.“
Für „Leben, Freiheit und Eigentum“ – und gegen Wokeness
Milei tritt ans Rednerpult und eröffnet. „Ich bin heute hier, um Ihnen zu sagen, dass die westliche Welt in Gefahr ist. Sie ist in Gefahr, weil diejenigen, die die Werte des Westens verteidigen sollten, von einer Vision für die Welt verführt sind, die am Ende zu Sozialismus und Armut führt“. In den letzten Jahrzehnten hätten „gutmeinende Individuen“ die Führer des Westens motiviert, das „Modell der Freiheit“ für den Kollektivismus hinter sich zu lassen – ein offenkundiger Angriff auf so manchen, der zu diesem Zeitpunkt vor oder auf dem Podium sitzt. Er sei in Davos, um genau davor, vor dem Kollektivismus zu warnen, erklärt Milei. Er spricht aus der Perspektive eines Landes, das den Weg des kollektiven Sozialismus eingeschlagen hatte und heute in einem „katastrophalen Zustand“ sei. Der argentinische Präsident warnte vor einer Abkehr vom Kapitalismus und der freien Marktwirtschaft. Er betonte, dass jeder staatliche Eingriff dem Sozialismus Tür und Tor öffne. Er zitierte klassisch-liberale Ökonomen, wie Milton Friedman oder den Österreicher Friedrich August von Hayek – Namen, die in den Kreisen des WEF längst aus der Mode gekommen sind. In seiner Rede griff er auch Themen wie „radikalen Feminismus“ und Wokeness an. Beides bezeichnete er als „lächerlich“. „Neomarxisten“ hätten den gesunden Menschenverstand des Westens vergiftet, indem sie Universitäten, Medien und Kultur durchsetzt hätten – und auch internationale Organisationen.
Milei trägt ruhig und bestimmt vor – im Inhalt ist seine Rede wie eine Abrissbirne, die die Kern- und Grundüberzeugungen einer Konferenz wie des WEF malträtiert und keinen Stein auf dem anderen lässt. Auf dem WEF werden vor allem global-dirigistische Lösungsansätze propagiert – Milei tritt an, um für das Gegenteil zu streiten. Auf einer Veranstaltung, die sich mit postkapitalistischen Ideen jenseits von Eigentum, „globaler sozialer Gerechtigkeit“ oder Konzepten in Richtung von „Degrowth“ beschäftigt, hält er ein markiges Plädoyer für Wirtschaftswachstum, Marktwirtschaft und Wettbewerb. Der Kapitalismus werde „dämonisiert“, sei aber für die beste, freiste und wohlhabendste Welt aller Zeiten verantwortlich. Er erklärt seinen Libertarismus vor einer Gruppe, die davon eigentlich nichts mehr wissen möchte – den Schutz von „Leben, Freiheit und Eigentum“.
Ein Plädoyer gegen alten und neuen Sozialismus
Vertreter des wirtschaftlichen und politischen Establishments, so Milei, hätten die Institutionen der Freiheit verraten – „manche wegen Fehlern in ihrem theoretischen Rahmendenken, andere aus Machtgier“. So würden sie dem Sozialismus die Tür öffnen. Milei erinnert: Sozialismus ist immer gescheitert. Wirtschaftlich, gesellschaftlich, kulturell – „und er hat über 100 Millionen Menschen ermordet“. Selbst nach dem Fall der Berliner Mauer und einer überwältigenden Menge empirischer Evidenz würden Menschen noch den Sozialismus propagieren – „auch unsere eigenen Anführer, Denker und akademischen Forscher“.
Seine Kritik richtet er aber auch direkt an die Ideen des Gremiums. Das World Economic Forum hatte sich spätestens im neuen Davoser Manifest 2020 für einen neuen „Stakeholder-Kapitalismus“ ausgesprochen, bei dem alle „Anspruchsgruppen“ mitreden und in die Führung von Unternehmen eingreifen, um langfristig den „Profit für alle“ zu maximieren. Ein Konzept, welches sich zumindest als postkapitalistisch beschreiben ließe. Milei zerlegt das nach Strich und Faden – für ihn hat eine Firma nach dem alten Leitsatz von Milton Friedman nur Verantwortung gegenüber ihren Anteilseignern, nicht aber vor postulierte, hehren Zielen oder Vorstellungen.
Mit dieser Argumentation und dürfte sich auf der Veranstaltung nicht unbedingt beliebt gemacht haben. Auch bei WEF-Boss Klaus Schwab ist erkennbar: Die Begeisterung ist verhalten. Stumm, ohne ein Wort des Abschiedes, ließ er Milei von der Bühne gehen – höchst unüblich für den sonst sehr höflich auftretenden Schwab. Der Auftritt als Abrissbirne ist dem libertären Reformer offenbar gelungen.
Text: Apollo News
Bild: Radio Qfm.
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