Der SWR-Mitarbeiter Ole Skambraks hatte mit seinem am 5. Oktober auf Multipolar veröffentlichten offenen Brief „Ich kann nicht mehr“ (1) für große Aufmerksamkeit gesorgt. Mehr als eine Million Menschen lasen den Text, es folgten Übersetzungen in vier Sprachen, ein TV-Auftritt in Österreich und schließlich am vergangenen Donnerstag ein ausführlicher Bericht in der Stuttgarter Zeitung. Am Freitag stellte der Sender seinen kritischen Mitarbeiter nun vom Dienst frei – ohne Begründung. Am selben Tag veröffentlichte die Nachrichtenagentur dpa einen Faktencheck zum offenen Brief, auf den Multipolar mit einer Beschwerde beim Presserat reagiert.
Ein Standpunkt von Paul Schreyer.
Das Schreiben, das Skambraks vom SWR am Freitag zugestellt wurde, setzt sich nicht inhaltlich mit seinem Anliegen auseinander, sondern kommt von der Personalabteilung und umfasst einen einzigen Satz:
„Aus aktuellem Anlass sind Sie ab sofort und bis auf Weiteres von jeglicher Tätigkeit im Rahmen Ihres befristeten Beschäftigungsverhältnisses im SWR bezahlt freigestellt.“
Eine Begründung für den Beschluss erhielt der Autor des offenen Briefes, der kritisch mit der Corona-Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien ins Gericht geht, nicht. Noch am Donnerstag hatte die Stuttgarter Zeitung nach Rücksprache mit dem SWR berichtet (2):
„Von Strafe oder Sanktionen ist beim Südwestrundfunk keine Rede – das wäre ziemlich unklug. Allen Beschäftigten stehe es frei, im Rahmen der Rechtsordnung ihre Meinung zu äußern, sagt eine Sendersprecherin; dazu gehöre auch Kritik am SWR.“
Auf die Frage von Multipolar nach dem Grund für die Freistellung ging der Sender am Montag nicht direkt ein, sondern erklärte lediglich:
„Wie unter anderem die Stuttgarter Zeitung richtig zitiert, steht es allen Kolleginnen und Kollegen im SWR frei, ihre Meinung zu äußern – auch in Form von Kritik am SWR –, solange dies von der Rechtsordnung gedeckt ist. Wir bedauern jedoch, dass in diesem Fall der Weg über Dritte anstelle des vertieften direkten Austauschs gesucht wurde, zumal Herr Skambraks genau diesen ja selbst fordert. In der Sache teilen wir seine persönliche Auffassung nicht, vor allem weil die Aussagen zur Corona-Pandemie zumindest durch fehlende Einordnung einen falschen Eindruck erwecken. Über nach in seiner Wahrnehmung nicht aufgegriffene Themen wurde in Wahrheit sehr wohl berichtet. Zu diesen Punkten haben wir uns um einen internen Austausch mit ihm bemüht.“
Auf Rückfrage weiß Ole Skambraks nichts von solchen Bemühungen. Auf ein Gespräch am 8. Oktober – drei Tage nach Erscheinen des Textes – mit seinen direkten Vorgesetzten Jan-Philippe Schlüter, Leiter des Programm-Managements, und Wolfgang Gushurst, Wellenleiter beim SWR2, folgten laut Skambraks keine weiteren Dialogangebote des Senders:
„Das Gespräch am 8.10. verlief freundlich, es gab den Versuch meine Beweggründe zu verstehen, am Ende gegenseitige Ratlosigkeit, wie weiter zu verfahren ist.“
Skambraks war anschließend bis vergangenen Freitag krankgeschrieben und hätte nun am Montag wieder seinen Dienst angetreten. Doch das wird ihm verwehrt. Auch sein SWR-Login mit Zugang zu E-Mails, Intranet und den Sendesystemen ist nun gesperrt.
Auf die Frage von Multipolar, ob der SWR noch beabsichtige, eine öffentliche Stellungnahme zum offenen Brief abzugeben, antwortete der Sender am Montag, man sehe „keinerlei Anlass für eine proaktive öffentliche Stellungnahme“.
Skambraks, der am 13. Oktober, eine Woche nach Veröffentlichung des offenen Briefes, im österreichischen Sender Servus TV vor der Kamera noch einmal ausführlich auf seine Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk einging (3), hat inzwischen über einen Anwalt seiner Freistellung widersprechen lassen.
Faktenchecker kämpfen um Deutungshoheit
Wer den Link zum Multipolar-Beitrag von Skambraks auf Facebook teilen will, der erhält mittlerweile einen Warnhinweis:
„Teilweise falsche Informationen – von unabhängigen Faktenprüfern überprüft“
Facebook verlinkt dazu auf einen Faktencheck (4) der Nachrichtenagentur dpa. Dieser wurde einen Tag, nachdem über die Kritik des SWR-Mitarbeiters erstmals auch in einem etablierten Medium, der Stuttgarter Zeitung, berichtet worden war, am vergangenen Freitag veröffentlicht, am selben Tag, an dem Skambraks auch seine Freistellung erhielt.
Der Faktencheck greift aus der Fülle der mehreren Dutzend Argumente und Aspekte, die der Journalist in seinem offenen Brief zur Sprache gebracht und mit Quellenangaben belegt hatte, willkürlich und ohne erkennbare Systematik fünf heraus und stellt dazu fest, dass die Sachverhalte zwar teils „richtig“ dargestellt, einige allerdings „noch nicht abschließend erforscht“ oder „stark umstritten“ seien. Der Faktencheck trägt dazu eine Überschrift, die vom Inhalt nicht gedeckt ist:
„Offener Brief eines Journalisten enthält einige Falschbehauptungen über Corona“
Diese Überschrift ist stark irreführend, um nicht zu sagen gelogen. Sichtweisen, die angezweifelt werden und unter Fachleuten bislang strittig bleiben, sind etwas anderes als „Falschbehauptungen“.
Ein im Faktencheck erwähnter Punkt, den man Skambraks als Fehler vorhalten könnte, ist diese Aussage in seinem Text:
„Die Gates- und Rockefellerstiftungen haben die WHO-Richtlinien für die digitalen Impfpässe entworfen und finanziert. (5)“
Hierzu merkt die dpa an:
„Die Stiftungen haben die Richtlinien nicht entworfen, sondern nur mit anderen Geldgebern an der Finanzierung mitgewirkt.“
Formal ist das korrekt, denn belegt ist tatsächlich „nur“ die Finanzierung und nicht die inhaltliche Formulierung des Richtlinientextes. Doch stellt sich hier die Frage, woher die dpa weiß, dass die privaten Milliardärs-Stiftungen, die die brisanten WHO-Impfpass-Richtlinien (warum eigentlich?) finanzierten, diese nicht auch (mit-)entworfen haben. Die Aussage der dpa hierzu erscheint spekulativ. Im Gegenteil ist es naheliegend, dass die Gates- und die Rockefeller-Stiftung, die in der Corona-Politik international eine wichtige Rolle spielen, die im August 2021 veröffentlichte 99-seitige WHO-Richtlinie (6) zu den digitalen Impfpässen durchaus auch mit der Absicht mitfinanzierte, inhaltlichen Einfluss auf die entscheidende Frage zu nehmen, wie und in welcher Form Impfpässe fortan global eingesetzt werden sollen.
Ebenfalls als Falschbehauptung werten die Faktenchecker diese Frage von Skambraks:
„Warum melden die Niederlande deutlich mehr Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe als andere Länder?“
Die dpa-Faktenchecker kommentieren dazu:
„Aus den Niederlanden kommen die meisten Verdachtsmeldungen, Nebenwirkungen sind das keine. Die EMA-Datenbank lässt keine abschließenden Schlussfolgerungen über Impfrisiken zu.“
Doch das ist nicht der Punkt von Skambraks´ Frage gewesen. Ob man die Meldungen nun „Nebenwirkungsmeldungen“ oder „Verdachtsmeldungen“ nennt – die Frage bleibt, warum in den Niederlanden mehr davon existieren als in anderen Ländern – und ob das vielleicht etwas mit einer besseren Erfassung solcher Meldungen dort zu tun hat, die Risiken hierzulande also womöglich unterschätzt werden. Schon eine solche Frage dem Autor als „Falschbehauptung“ anzukreiden entbehrt jeder Grundlage.
Multipolar hat deshalb am Montag beim Deutschen Presserat Beschwerde gegen die irreführende, sachlich nicht belegte und diskreditierende Überschrift des dpa-Faktenchecks eingelegt. In Ziffer 2 des Pressekodex (7) ist klar festgelegt, dass Überschriften nicht sinnverfälschend sein dürfen.
Der offene Brief von Ole Skambraks ist inzwischen auch auf Englisch, Französisch, Spanisch und Niederländisch veröffentlicht worden.
Quellen:
- https://multipolar-magazin.de/artikel/ich-kann-nicht-mehr
- https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.offener-protestbrief-ein-ketzer-vom-swr-leidet-am-corona-journalismus.4cde358e-dbfc-4acb-9ddc-b7486f1f01d2.html?reduced=true
- https://www.servustv.com/aktuelles/v/aa-298arm9xh2111/
- https://dpa-factchecking.com/germany/211012-99-570299/
- https://norberthaering.de/die-regenten-der-welt/gates-rockefeller-who/
- https://www.who.int/publications/i/item/WHO-2019-nCoV-Digital_certificates-vaccination-2021.1
- https://www.presserat.de/pressekodex.html
Bild: Editor Edition – Pixabay – LeonWallis