Die EU missioniert acht deutsche Städte für ihre „Klimastadt-Kapitalplattform“
Die EU-Kommission hat acht deutsche Städte für ihre „Klimaneutrale intelligente Städte“-Mission ausgewählt, was von den Bürgern dieser Städte erhebliche Opfer verlangen könnte.
Acht deutsche Städte im Fokus
Von Aachen bis Münster: Acht deutsche Städte wurden von der EU-Mission „Klimaneutrale intelligente Städte“ auf eine „Klimastadt-Kapitalplattform“ gelockt.
Doch wissen die Bürgermeister und vor allem die Bürger der betroffenen Städte, worauf sie sich einlassen? Am 26. Juni veröffentlichte die EU-Kommission eine Pressemitteilung mit dem Titel: „Neue Finanzplattform zur Unterstützung der Bestrebungen von Städten, die bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an den Klimawandel Vorreiter sind“.
Die Hintergründe
Diese Plattform richtet sich an Städte wie Mannheim und Heidelberg, die bereits an der EU-Mission für klimaneutrale und intelligente Städte teilnehmen und das Siegel der EU-Städtemission erhalten haben. Mit Hilfe der neuen Plattform erhalten diese Städte Zugang zu Finanzberatungen durch die Europäische Investitionsbank (EIB). Zudem können sie ihre Klima-Projekte einem „Spektrum von Kapitalgebern“ präsentieren, das aus Krediteinrichtungen und Investoren des öffentlichen und privaten Sektors besteht. Dadurch wird es ihnen erleichtert, Kapital von „philanthropischen Stiftungen“ und nachhaltigkeitsgebundenen Anleihen zu beziehen. Im Fokus der Klimastadt-Kapitalplattform steht besonders die Mobilisierung von privatem Kapital.
Breites Interesse an der Finanzspritze
Bislang wollen sich 33 europäische Städte diese Finanzspritze nicht entgehen lassen. Dazu gehören Städte wie Madrid, Stockholm, Klagenfurt, Florenz, Marseille, Barcelona, Sevilla, Lissabon, Leuven, Malmö, Thessaloniki und Izmir. Izmir gehört zu den weiteren zwölf assoziierten Städten außerhalb der EU, die für die Städtemission ausgewählt wurden. Aus Deutschland sind derzeit Mannheim und Heidelberg dabei. Sechs weitere deutsche Städte stehen schon in den Startlöchern: Aachen, Dortmund, Dresden, Leipzig, München und Münster.
Voraussetzungen für das EU-Siegel
Um das EU-Siegel zu erhalten, müssen die Städte Pläne einreichen, aus denen hervorgeht, wie sie bis 2030 klimaneutral werden wollen. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung dar, die sowohl finanzielle als auch gesellschaftliche Anstrengungen erfordert.
Anforderungen und Ziele der EU-Mission für klimaneutrale Städte
Um das EU-Missionssiegel zu erhalten, müssen Städte neben einer allgemeinen Vision ihrer Klimaneutralität auch einen detaillierten Aktionsplan und eine Investitionsstrategie vorlegen. Diese Pläne werden von der EU-Kommission geprüft. Bei positivem Bescheid erleichtert das Siegel den Zugang zu europäischen, nationalen, regionalen und privaten Investitionen. Ziel ist es, die Städte dabei zu unterstützen, die Klimaneutralität zu beschleunigen, die die EU bis 2050 gemäß ihrem Green Deal von 2019 erreichen will. Die EU spricht hier sogar von einer „rechtlich bindenden Verpflichtung“.
100 klimaneutrale Städte bis 2030?
Die EU-Mission für klimaneutrale und intelligente Städte soll vordergründig die Luftqualität verbessern, den Verkehr sicherer machen und die Belastung durch Staus und Lärm reduzieren. Doch die Mission zielt auf weit mehr ab. Sie ist eine von fünf EU-weiten „Missionen“, die im September 2021 im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms „Horizont Europa“ gestartet wurden.
Andere EU-Missionen betreffen Themen wie die Anpassung an den Klimawandel und die Bodengesundheit und Ernährung. Das Ziel der EU-Städtemission ist es, bis 2030 insgesamt 100 klimaneutrale und intelligente Städte zu schaffen. Diese Städte sollen als Experimentier- und Innovationszentren dienen, damit bis 2050 alle europäischen Städte klimaneutral werden können. Aus 377 Bewerbern wurden im April 2022 100 Städte ausgewählt, die nun ihre Klimastadt-Verträge ausarbeiten müssen. Diese Verträge müssen alle relevanten Sektoren wie Energie, Gebäude, Abfallwirtschaft und Verkehr umfassen.
Unterstützung durch die Missionsplattform
Die EU-Städtemission wird von einer speziellen Missionsplattform betreut, die von NetZeroCities betrieben wird. Diese Plattform bündelt neue und bestehende Instrumente, Ressourcen und Fachwissen. Sie unterstützt auch Pilotprojekte, um schnelleres Lernen zur Erreichung der Klimaneutralität auf Stadtebene zu fördern, und führt ein „Twinning-Programm“ durch, um den Austausch und das Lernen zwischen Städten zu ermöglichen.
Bedeutung der Städte für die Klimaneutralität
Die EU begründet die Mission damit, dass Städte eine zentrale Rolle bei der Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 spielen. Obwohl sie nur vier Prozent der Landfläche der EU einnehmen, leben dort 75 Prozent der EU-Bürger. Städte verbrauchen mehr als 65 Prozent der weltweiten Energie und verursachen über 70 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. In den 100 ausgewählten Städten leben derzeit zwölf Prozent der EU-Bevölkerung.
Was heißt das für die Städte und die Bewohner wirklich?
Der Heidelberger Vertrag zur Klimaneutralität
Eine Veröffentlichung der C40-Städte zeigt deutlich, was es wirklich bedeutet, wenn eine Stadt „klimaneutral“ ist. Das Netzwerk verfolgt die Vision von emissionsfreien Städten weltweit und beschreibt konkrete Eingriffe in den Alltag der Bürger. In einer C40-Stadt müssten die Bewohner ihre Ernährung auf überwiegend pflanzliche Produkte umstellen und ihre Kalorienzufuhr auf maximal 2.500 kcal pro Tag reduzieren. Außerdem dürften pro Jahr nur drei bis acht neue Kleidungsstücke gekauft werden, pro 1.000 Einwohner wären maximal 190 Fahrzeuge erlaubt, und Kurzstreckenflüge wären nur alle zwei bis drei Jahre gestattet. Elektronische Geräte wie Laptops dürften höchstens alle sieben Jahre ausgetauscht werden.
Heidelberg: Vorreiter in Sachen Klimaschutz
Heidelberg, Mitglied im Netzwerk der C40-Städte und Teilnehmer der EU-Städtemission, hat einen detaillierten Vertrag ausgearbeitet, um das EU-Missionssiegel zu erhalten. Der Vertrag umfasst 116 Seiten und listet bisherige Klimaschutzaktivitäten seit den 90er Jahren auf. Bereits 2014 entwickelte Heidelberg einen „Masterplan 100% Klimaschutz“, und 2019 rief Oberbürgermeister Würzner den Klimanotstand aus, was zu einem umfassenden 30-Punkte-Aktionsplan führte.
Im Juli 2022 beschloss der Heidelberger Gemeinderat, in allen Bereichen konsequent auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 hinzuarbeiten und dem Klimaschutz Priorität einzuräumen. Die vollständige Klimaneutralität nach der BISKO-Bilanzierung soll bis spätestens 2040 erreicht werden. BISKO steht für eine kommunale Bilanzierungssystematik zur methodischen Vereinheitlichung der Energie- und Treibhausgasbilanzen von Kommunen.
Konkrete Maßnahmen zur Klimaneutralität
Der Vertrag betont, dass Klimaschutz ein integraler Bestandteil aller Investitions-, Beschaffungs- und Managemententscheidungen sein muss. Alle Bereiche wie Transport, Gebäude, Heizung, Strom und Abfall sowie die Bürger-CO2-Bilanz in Bezug auf Reisen und Konsum werden berücksichtigt. Konkrete Maßnahmen beinhalten die Halbierung des Autoverkehrs innerhalb Heidelbergs und die Verdoppelung des öffentlichen Verkehrs. Dazu sollen Parkgebühren erhöht, Parkraum verknappt und die Anzahl der Fahrzeugzulassungen reduziert werden.
Die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel wird als gesundheitlich vorteilhaft dargestellt. Bewegung zu Fuß, mit dem Fahrrad oder auf dem Weg zur Bushaltestelle soll langfristig vor Krankheiten schützen. Heidelberg plant zudem die Einführung einer digitalen „Cool Map“, die kühle Orte identifiziert, sowie eines Navigationssystems für den Hitzeschutz.
Digitalisierung und Überwachung
Heidelberg strebt eine umfassende Digitalisierung an, die über eine effektivere Verwaltung hinausgeht. Konzepte wie „Smart Citizen Wallets“ könnten ein Belohnungssystem einführen, das Bürger für umweltfreundliches Verhalten belohnt. Die Stadt plant auch, dauerhaft Home-Office-Möglichkeiten zu schaffen und Besprechungen in Hybridform abzuhalten. Zudem sollen neue Wohnmodelle mit weniger Wohnfläche pro Person gefördert werden, um den Anstieg der Einwohnerzahl und die damit verbundenen Emissionen zu kompensieren.
Beteiligung der Bürger und Unternehmen
Heidelberg setzt auf die Beteiligung von NGOs, Unternehmen und Bildungseinrichtungen. Der Klimaschutz-Aktionsplan sieht vor, dass sich 20 Prozent aller kleinen und mittelständischen Unternehmen am Projekt „Nachhaltiges Wirtschaften“ beteiligen. Zahlreiche Organisationen, darunter die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH, das Universitätsklinikum Heidelberg und das Max-Planck-Institut für Kernphysik, unterstützen den Klimavertrag.
Fazit
Heidelberg strebt eine umfassende Transformation an, die tiefgreifende Veränderungen in Mobilität, Ernährung und Wohnverhältnissen mit sich bringt. Während sinnvoller Umweltschutz wichtig ist, bleibt fraglich, ob alle Beteiligten die Konsequenzen dieser Transformation vollständig verstehen. Der Vertrag spricht vom „Ziel der Transformation“ und beschreibt zahlreiche Einschränkungen, die letztlich das Leben der Bürger stark beeinflussen werden. Heidelberg will eine Vorbildfunktion für andere europäische Städte übernehmen und innovative Lösungen gemeinsam mit der Stadtgesellschaft entwickeln und umsetzen.
Quelle: achgut.com
Bilder: Klimastädte Ideologie und Wirklichkeit – alexey-ruban -unsplash
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