Eine kleine westfriesische Insel sollte als Paradebeispiel für eine „gelungene“ Stickstoffpolitik dienen.
Um den Forderungen der „grünen Agenda“ nachzukommen, haben die Landwirte auf Schiermonnikoog ihren Kuhbestand drastisch reduziert.
Doch bei neuen Ergebnissen über den Stickstoffgehalt in der Natur gibt es eine Überraschung.
Die bei den Provinzwahlen im vergangenen März als stärkste Partei hervorgegangene Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) zweifelt, ob ein starker Rückgang des Viehbestandes den gewünschten Effekt der Stickstoffemissionen erzielt.
Die erst 2019 gegründete Partei wirft die Frage auf, „ob die Stickstoffmilliarden nicht effektiver eingesetzt werden könnten“, heißt es in einer Mitteilung vom 12. Juli. Dabei greift sie das Beispiel Schiermonnikoog auf.
Schiermonnikoog ist eine der Westfriesischen Inseln und wurde im Jahr 2006 zum „schönsten Ort der Niederlande“ ernannt. Mit knapp 200 Quadratkilometern ist sie die kleinste der fünf bewohnten niederländischen Inseln. 1989 wurden das Wattenmeer und rund 5.400 Hektar der beliebten Urlaubsinsel sogar als Nationalpark ausgewiesen. Doch was ebenfalls auf Schiermonnikoog nicht wegzudenken ist, sind die sieben Inselbauern, die den flachen Polder auf der Südseite der Insel landwirtschaftlich nutzen.
Im Jahr 2021 hatte die damalige Landwirtschaftsministerin der Niederlande, Carola Schouten, der Insel einen Besuch abgestattet, um einen Deal mit den Bauern auszuhandeln. Nach einer finanziellen Einigung sollten die Landwirte die Anzahl der Kühe von 606 auf 375 reduzieren. Dadurch sollte eine Reduzierung der Stickstoffemissionen erreicht werden, denn auf Schiermonnikoog sind Kühe die einzige nennenswerte lokale Stickstoffquelle (Ammoniak).
Kühe reduziert, aber der Stickstoff ist gestiegen?!
Unter dem Druck der Landwirtschaftsministerin und zweier friesischer Abgeordneter sowie des landwirtschaftlichen Naturvereins Waddenbirds hatten die Bauern eine Vereinbarung unterzeichnet. Mit dem Ziel, die empfindliche Natur auf Schiermonnikoog zu schützen, haben sie bereits 40 Prozent ihrer Kühe abgeschafft – eine Maßnahme, die die Bauern zwar “freiwillig, aber nicht ohne Widerwillen und Protest” ergriffen haben, so die BBB-Partei.
Doch nun kommt eine “unangenehme” Überraschung für die Befürworter des Green-Deals. Im Juli dieses Jahres veröffentlichte das niederländische Ammoniak-Überwachungsnetzwerk (MAN) neue Messergebnisse, wie von der BBB-Partei berichtet. Die Ergebnisse zeigen, dass in dem Messnetz keine Reduktion des Stickstoffgehalts in der Natur festgestellt wurde.
“Im Vergleich zu 2021 ist sogar ein Anstieg zu verzeichnen”, betont die BBB-Partei weiter. Und dieser Trend ist auch auf den anderen friesischen Inseln zu beobachten.
Parlamentarische Anfrage an die Ministerin für Stickstofffragen
In Reaktion auf die Situation hat die Vorsitzende der BBB, Caroline van der Plas, eine parlamentarische Anfrage mit 14 Fragen an die Ministerin für Natur und Stickstoff, Christianne van der Wal, gerichtet. Eine der Fragen lautete, wie sich die Ministerin erklären könne, dass “die gemessene Konzentration von Stickstoff auf Schiermonnikoog gestiegen ist, obwohl die Hauptquelle von Ammoniak auf der Insel – gemäß des aktuellen politischen Modells – deutlich reduziert wurde.”
Darüber hinaus wollte van der Plas wissen, wie viele öffentliche Gelder für die Reduzierung des Viehbestandes auf Schiermonnikoog bereitgestellt wurden. Sie fragte auch, ob die Stickstoffministerin bereit sei, die Grundlagen der Stickstoffpolitik zu überprüfen.
In einem Antwortschreiben vom 23. Juli erklärte Ministerin van der Wal, dass die Fragen “nicht innerhalb des üblichen Zeitrahmens” beantwortet werden könnten. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die “Abstimmung mit den Beteiligten mehr Zeit benötige”. Allerdings wurde kein spezifischer Zeitpunkt genannt, bis wann die Antworten vorliegen würden.
BBB-Partei führt bei Umfragen zum Wahltrend an
Seit über einem Jahr protestieren Landwirte in den Niederlanden gegen die strenge Vorgehensweise ihrer Regierung gegen die Agrarindustrie. Die niederländische Regierung hat das Ziel, bis 2030 die Stickstoffemissionen, die unter anderem durch Düngemittel freigesetzt werden, um 50 Prozent zu reduzieren.
Im April dieses Jahres verkündete der ehemalige niederländische Premierminister Mark Rutte, dass die “grüne Agenda” der EU beschleunigt umgesetzt werden soll und die Landwirte zur Umsetzung dieser Pläne gebracht werden müssen. Eine neue Regelung, die im Oktober vorgestellt wurde, sieht vor, landesweit 3.000 sogenannte “Stickstoffsünder”-Höfe zu schließen, wobei ein Zwangsverkauf nicht ausgeschlossen ist. Rutte hat mittlerweile das Amt verlassen, und im November stehen die niederländischen Parlamentswahlen bevor.
Bei kürzlichen Umfragen zum Wahltrend zeichnete sich die Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) als stärkste Partei ab. Allerdings reicht dies allein nicht aus, um eine Regierung bilden zu können. Die Partei plant daher, eine Koalition mit der CDA, FNP und der christlich-demokratischen ChristenUnie zu bilden.
“Bauernschreck” Timmermans strebt Amt des niederländischen Ministerpräsidenten an
Die linksgerichteten Parteien haben sich ebenfalls zusammengeschlossen, um eine Mehrheit bei den kommenden Parlamentswahlen zu bilden. Die niederländische Grüne Partei und die Sozialdemokraten planen, mit einer gemeinsamen Liste anzutreten. Als gemeinsamer Spitzenkandidat der beiden Parteien gilt der sozialdemokratische EU-Kommissionsvize Frans Timmermans. Er wird oft als “Vater des Green Deal” bezeichnet und ist für seine kritische Haltung gegenüber der Agrarindustrie als “Bauernschreck” bekannt. Timmermans strebt das Amt des nächsten Ministerpräsidenten der Niederlande an.
Medienberichten zufolge plant Timmermans, sein Amt als EU-Kommissar aufzugeben – vorausgesetzt, er wird wie erwartet im August zum Vorsitzenden der rot-grünen Liste PvdA/GroenLinks gewählt. Normalerweise wäre Timmermans noch bis zum 31. Oktober 2024 Mitglied der Europäischen Kommission.
Mit Timmermans als neuem Ministerpräsidenten liegt die Vermutung nahe, dass er die Stickstoff-Politik von Rutte in den Niederlanden fortsetzen wird. Timmermans gab Andeutungen dazu in einem Interview mit dem niederländischen Sender NOS:
“Es ist noch nicht alles abgeschlossen, aber der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, ist erreicht. Der Green Deal bleibt bestehen”, äußerte der Niederländer am 20. Juli.
Bilder: Die Kühe von Schiermonnikoog – erik-jan-leusink-unsplash
Quelle: Podcast von Bruce Wayne
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