Die Hygiene als soziales Problem V
Unter dem Vorwand, in Punkto Hygiene für die innere Sicherheit zu sorgen, verleugnet die Staatsgewalt ihre oberste Pflicht:
„Die Würde des Menschen…zu achten und zu schützen“.
Den damit aufgeworfenen Fragen gehe ich in einer Reihe von 6 Beiträgen nach.
Wir sahen:
Die staatliche Gewalt schützt die Würde des Menschen nur dann sachgemäß, wenn sie im Rechts- und Staatsleben darüber wacht, dass alles sich an dem Prinzip der Gleichheit orientiert;
und sie achtet die Würde des Menschen nur dann sachgemäß, wenn sie absolut respektiert, dass sich das Geistesleben und das Wirtschaftsleben eigen-ständig entfalten müssen: Das Geistesleben unter dem Prinzip der Freiheit und das Wirtschaftsleben aus den Impulsen der Brüderlichkeit.
Diese Dreigliederung des sozialen Organismus ist keine Erfindung Rudolf Steiners.
Wie im 17. Jahr-hundert William Harvey aufgrund seiner Beobachtungen die Gesetzmäßigkeiten des Blutkreislaufs aufzeigen und damit das physiologische Denken zurechtrücken konnte, so konnte im 20. Jahrhundert Rudolf Steiner aufgrund seiner anthropologi-schen und anthroposophischen Beobachtungen die sozialen Gesetzmäßigkeiten aufzeigen.
Führen wir uns am Beispiel der Hygiene konkret vor Augen, wie es in einem gesunden sozialen Organismus zu und hergehen müsste.
Ein absolut freies Geistesleben bildet die gesunde Lebensgrundlage des sozialen Organismus. Das freie Geistesleben beginnt da, wo der Mensch sich zu einer gesunden Skepsis gegenüber der eigenen Meinung und der Meinung der wissenschaftlichen Autoritäten befähigt.
Wir leben nicht mehr im Zeitalter des Glaubens, sondern im Zeitalter des Wissens – und wenn wir das ignorieren, dann werden wir unausweichlich zum Opfer statt zum Mit-Gestalter der Verhält-nisse.
Es gibt ja nichts Unwissenschaftlicheres als den Glauben an „die Wissenschaft“ oder an die Wissenschaftler.
Und selber urteilsfähig werden wir gegenüber den Experten vor allem dadurch, dass auch wir das Staunen wieder lernen. Durch die Praxis des Staunens wächst das Empfinden für die Geistigkeit der Dinge und damit für die Sinnhaftigkeit der Geisteswissenschaft.
Das stärkt und festigt unseren Orientierungssinn für Wahrheit und Lüge und für den Wert und die Würde eines jeden Menschen. Dadurch können wir die Realität der konkreten Menschen nie mehr aus dem Auge verlieren und Politiker und deren Experten werden uns nichts mehr vormachen können. Selbstverständlich brauchen wir Fachleute, und auch für die Fragen der Hygiene.
Und das sollten Menschen sein, die dazu befähigt sind, sich um die entsprechenden Erkenntnisse zu bemühen – und die das völlig frei tun können, völlig unabhängig von allem, was nicht mit reiner Erkenntnis zu tun hat.
Was da der einzelne Forscher leisten kann zum Besten seiner Mitmenschen, das muss ganz allein aus seinen Fähigkeiten hervorgehen, darüber darf es keine staatlichen Normen geben, darüber darf es auch keine Abhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen geben, das muss voll und ganz in die persönliche Verantwortlichkeit des einzelnen Forschers ge-stellt sein.
Und nur in dem Fall, dass das Erforschte auch der inneren Sicherheit dienen könnte, kommt dann das staatliche Rechtsleben ins Spiel.
Da geht es um die Frage, ob und ggf. wie dasjenige, was der Einzelne aufgrund seiner Fähigkeiten erforscht und erkannt hat, im praktischen Leben zur Anwendung kommen soll. Und das funktioniert in einem Rechtsstaat so, dass wir über die Ratschläge abstimmen, die aus dem Geistesleben an uns herangetragen werden.
Damit wir aber darüber abstimmen können, müssen wir uns zunächst um ein Verständnis dessen bemühen, was jener fähige Mensch erarbeitet hat; denn demokratiefähig werden wir für jeden einzelnen Fall erst da-durch, dass wir uns – aufgrund eines lebendig verinnerlichten, ganzheitlichen Menschenbildes – ein eigenes Urteil gebildet haben über das, worüber wir abstimmen werden – in diesem Fall also über ein bestimmtes Problem der Hygiene.
Da beschließen wir vielleicht, dass in Kläranlagen eine bestimmte Filter-Technik zum Einsatz kommen soll. Schön und gut; aber damit diese Technik auch zur Anwendung kommen kann, muss ein Wirtschaftsleben da sein, wo die Menschen willens und bereit sind, diese Filter auch zu produzieren.
Allgemein gesprochen:
Die im Wirtschaftsleben Tätigen müssen die Bereitschaft aufbringen, die Impulse aufzugreifen, die aus den Erkenntnissen des freien Geisteslebens entspringen. Der soziale Organismus als ganzer ist gesund, wenn die Wirtschaft dasjenige produziert, was wir eingesehen und demokratisch beschlossen haben, dass wir es brauchen.
Der gegenwärtige soziale Organismus hingegen ist todkrank, weil die Wirtschaft (an unseren echten Bedürfnissen vorbei) nur das produziert, was den meisten Profit erbringt.
Soweit dieser fünfte von 6 Beiträgen zum Thema «Die Hygiene als soziales Problem»
den ich wiederum mit jenem Denkspruch Rudolf Steiners abschließen möchte, den ich zum geistigen Begleiter dieser Betrachtungen ausgewählt habe:
Die Welt ist ohne den Geist
Für den Menschen wie ein Buch,
Abgefasst in einer Sprache,
Die er nicht lesen kann,
Doch von dem er weiß
Dass sein Inhalt lebenbestimmend ist.
Und Geisteswissenschaft will erstreben
Die Kunst des Lesens;
Sie hält sich für notwendig,
Weil sie glauben muss,
Dass sie von dem Leben
Selbst gefordert wird,
In das die Menschheit
Durch die Entwickelungskräfte
Der Gegenwart
Eingetreten ist.
Es grüßt Thomas Külken.
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